Wenn ich Fontanes Effi Briest als eins meiner Lieblingsbücher angebe, ernte ich meist unverständliche Blicke. Und ich kann es verstehen. Als ich das Buch für den Schulunterricht das erste Mal las, fand ich es schrecklich ermüdend und gähnend langweilig und immer, wenn es spannend werden könnte, überließ Fontane es der Fantasie seiner Leser sich besagte Szenen - seien es nun die heimlichen Liebestreffen oder das Duell auf Leben und Tod - selbst auszumalen, wo er nur wage Andeutungen machte. Ein mitreißendes Buch ist das wirklich nicht.
Dennoch blieb mir nichts anderes übrig als mich damit zu befassen. Und je mehr ich mich in die Materie einarbeitete, desto interessanter wurde diese Geschichte. Als ich sie das zweite Mal las, war sie schon sehr viel besser, nach dem 3. Mal war ich ihr verfallen.
"Nicht so wild Effi, nicht so leidenschaftlich."
Fontane, Theodor: Effi Briest. S. 7
Wenn man sich auf den Text einlässt und bereit ist zwischen den Zeilen zu lesen, kann man so vieles entdecken, dass man sich fragt wie man das je hatte langweilig finden können. Plötzlich bekommen Nebensätze eine neue Bedeutung, auf einmal versteht man was der Autor ausdrücken will ohne es auszuschreiben. Dann erkennt man jeden Hinweis, bemerkt, dass Effi immer schaukelt, sich aus der fahrenden Kutsche herauslehnt, immer die Bodenhaftung verliert. Tochter der Lüfte wird sie einmal genannt. Ein albernes Gespräch zwischen Schulfreundinnen bekommt tiefere Bedeutung. Der erste Satz, die Beschreibung des Elternhauses, offenbart in sich bereits den Verlauf des Romans.
"Es war was anderes...mein Gewissen...
Effi, du bist verloren."
Fontane, Theodor: Effi Briest. S. 190
Ich habe das Buch mittlerweile 5 Mal gelesen und doch noch nicht jedes Detail entdeckt.
Ja, ich mag Effi Briest. Obwohl es auch mich zunächst sehr langweilte.