Mittwoch, 20. Januar 2010

Weil sie die Geschichten kaputtgeredet haben.

Literatur. Das habe ich ein Semester lang studiert. Sobald ich die Möglichkeit dazu hatte, wählte ich es ab. Weil ich Worte zu sehr mag. Weil mir Geschriebenes zu viel bedeutet. Weil sie die Geschichten kaputtgeredet haben. Ich ertrug es nicht. Dieses sture Analysieren der Erzählperspektiven, das Abzählen der Stilmittel, das brutale Wühlen in der Psyche der Autoren.
Schon in der Schule sagte meine Lehrerin zu mir: "Du liest falsch!" Weil ich zu emotional las, weil ich es zu nah an mich heran ließ. Ich lese falsch. Ich lese gerne falsch. Oh, wie kann man Werthers Leiden ohne Gefühl ertragen, einen Kafka auf das Verhältnis zu seinem Vater reduzieren, sich von Schiller nicht mitreißen lassen? Wie kann man monoton über die Stürmer und Dränger referieren? Wie kann man nur?

Ich mag Goethe nicht. Von Kafta verstehe ich vieles nicht. Schiller könnte jeder Seifenoper als Vorlage dienen.

Aber ich liebe ihre Worte und ihre Geschichten. Nicht nur ihre. Viele. Manchmal muss es keine große Kunst sein, kein Aneinanderreihen möglichst gewichtiger Begriffe. Manchmal ist es auch nur ein kleines Wort an der richtigen Stelle. Mit ihnen muss man vorsichtig umgehen, darf sie nicht drehen und wenden, ihnen Theorien und Statistiken überstülpen. Sonst gehen sie kaputt.

"Ich begreife manchmal nicht, wie sie ein anderer lieb haben kann, lieb haben darf, da ich sie so ganz allein, so innig, so voll liebe, nichts anders kenne, noch weiß, noch habe als sie!"
Goethe, Johann Wolfgang. Die Leiden des jungen Werther. 

4 Kommentare:

  1. du hast einen wundervollen schreibstil! und ich glaube, es war - soweit man das diesem post entnehmen kann - die richtige entscheidung, zu wechseln. es wäre schade, wenn du dir .. nein, sie dir .. die freude an der literatur nehmen würden! :)
    was studierst du jetzt, wenn ich fragen darf? :)

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  2. Ich verstehe sehr gut, was du meinst. Ich habe Literaturwissenschaft gerade zuende studiert, und während der Prüfungen nahm das strenge analysieren müssen mir fast schon die Lust an den Texten.
    Aber: Man kann es auch verbinden, diese reine Lust an den Wörtern mit dem "erleben" und interpretieren des Textes.
    Schonmal was von Stefan George gelesen? Sollte dir gefallen :)

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  3. Ein sehr schöner Beitrag!! Gut geschrieben und auch inhaltlich sagst du das, was andere manchmal einfach nur für einen kurzen Moment denken. Wunderschön. =)

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  4. Wie wahr, wie wahr.
    Wörter müssen Klang haben, Bilder formen.
    Wen interessiert da das Grundgerüst?
    Grüßerle

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