Hexen stehen immer zwischen Birken
Inhalt: Ensel und Krete verliefen sich im Wald. Es war so finster und auch… Ja, eigentlich trifft es das ziemlich gut, aber irgendwie ist in Zamonien dann doch alles ganz anders. Die Geschwister begegnen im großen Wald nicht nur der Hexe, sondern auch dem Laubwolf, einem Stollentroll, doppelköpfigen Wollhühnchen, Sternenstaunern und vor allem jeder Menge Halluzinogenen.
Eingebettet in diese Märchenparodie, wie Moers es selbst nennt, meldet sich auch der fiktive Autor Hildegunst von Mythenmetz immer wieder an den unpassendsten Stellen in dem von ihm geschaffenen Stilmittel, der Mythenmetzschen Abschweifung, zu Wort und…schweift ab. Nach dem (eigentlich schon zweiten) Ende der Geschichte folgt noch seine halbe Biografie.
Positiv: Ich hatte stellenweise das Gefühl mich mit dem Buch zu streiten, weil es mich ärgerte. Das klingt seltsam, aber wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr mitten in der Geschichte plötzlich
3 Seiten lang das Wort „Brummli“ zu lesen bekommt, weil Hildegunst danach ist und wir als Leser dem diktatorischen Autor unterworfen sind? Doch genau das macht das Buch so amüsant. Man weiß nie welcher Wahnsinn auf der nächsten Seite lauert. Das weiß man übrigens auch innerhalb der Geschichte nicht. Erleben die Kinder die geschilderten Abenteuer tatsächlich, träumen sie oder halluzinieren sie wegen der Dämpfe und Pilze? Dass die fiktive Realität ebenso seltsam ist wie es die Trugbilder sind, macht es nicht einfacher.
Ganz besonders habe ich die Mythenmetzschen Abschweifungen genossen, in denen der zamonische Schriftsteller seine literarischen Kniffe und damit seine Genialität erläutert, mit seinem größten Kritiker abrechnet oder auch nur ganz banal seinen Arbeitsplatz bis ins Kleinste beschreibt.
Auch die zahlreichen Fußnoten, die für uns sonst unverständliche, zamonische Gegebenheiten erläutern, waren sehr amüsant. Vor allem gefällt mir, dass Moers nicht nur durch bloßen Text erzählt, sondern alle Möglichkeiten eines Buches voll ausschöpft, indem er die Schrift passend formatiert und es mit seinen typischen Zeichnungen schmückt.
Negativ: Die Geschichte steckt zwar voller fantastischer Geschöpfe, viel Humor und Ironie, aber das Irren durch den Wald war dann teilweise doch etwas zäh und ich hatte gelegentlich das Bedürfnis die Handlung voran treiben zu müssen. Zumindest mich haben die Charaktere nicht weiter berührt, sie waren alle sehr flach. Das Buch lebt eher von Ideenreichtum, weniger von einer durchgängigen, in sich schlüssigen Handlung, die den Leser mitfiebern lässt, obwohl der Plot eigentlich spannend angelegt ist.
Fazit: Ein wundervolles Buch, wenn man das Kind in sich noch nicht verloren hat und für Ironie, Übertreibungen und Witz offen ist. Moers Stil ist einzigartig und darum vielleicht nicht für jeden etwas. Für mich schon.
Lieblingsstelle: Ensels Reise als Meteor durch das Weltall und die Mythenmetzschen Abschweifungen.
Zufallszitat: „Der Stollentroll ließ seine Lider zur Hälfte herab und smirkte.“
Bewertung: 7 von 10 Punkten